Missioärzte in der GU – Sprechstunde für Geflüchtete
Veröffentlicht: 15. Dez 2017
Zum Internationalen Tag der Migranten am 18.12.2017
Einzigartiges Modell der Migranten-Medizin
Seit 2008 sind Ärzte der Missioklinik in Würzburg vor Ort in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber (kurz GU). Sie befindet sich in einem eingezäunten ehemaligen Kasernengelände an der B27 Richtung Veitshöchheim. Rund um die Lebensbedingungen in der GU gibt es schon seit Jahren eine andauernde Diskussion. Außergewöhnlich und ein Erfolg ist aber ohne Zweifel das „Würzburger Modell“: Ohne Terminvereinbarung, Behandlungsschein und bürokratische Hürden können die Geflüchteten in die Sprechstunden in der GU kommen. Ein niedrigschwelliges Angebot sagt man auch dazu.
Humanitäre Lücke geschlossen
Geflüchtete in Deutschland können während des Asylverfahrens kein reguläres Mitglied der Krankenversicherungen werden. Stattdessen müssen die Kommunen, in denen sie leben, die medizinische Versorgung organisieren. Überhaupt: Geflüchtete erhalten nur die nötigste Versorgung.
In Würzburg läuft das anders
„Grundsätzlich sind Geflüchtete gefährdet – nicht gefährlich.“ Mit dieser Aussage hatte Tropenmediziner Prof. Dr. med. August Stich (Missioklinik) die Diskussion vor einigen Jahren angestoßen und zusammen mit dem Missionsärztlichen Institut das Projekt begonnen. Vertragspartner und Unterstützer dieser wichtigen Aufgabe sind das Klinikum Würzburg Mitte und der Freistaat Bayern, vertreten durch die Regierung von Unterfranken. Dringend nötig wäre eigentlich eine Änderung des Systems, das Asylbewerbern ermöglicht, sich vom ersten Tag an regulär behandeln zu lassen. Das würde voraussichtlich auch weitere Kosten für spätere Nachbehandlungen sparen.
Der Kampf um notwendige Therapien
Doch so einfach ist es auch hier nicht. Jede weitergehende Behandlung muss dann auch erstmal von staatlicher Seite genehmigt werden. "Oft muss man darum kämpfen, dass Flüchtlinge medizinisch adäquat behandelt werden", schreibt der Hartmannbund, der Verband der Ärzte Deutschlands. "Die Gefahr, dass gesundheitliche Risiken falsch eingeschätzt werden, ist hoch – gerade auch bei kranken Kindern", kritisierte die Ethikkommission der Bundesärztekammer bereits 2013.
Ein Tag im November in der GU
Es nieselt, es ist grau und feuchtkalt als wir an einem Novembertag die GU besuchen. Am Tor müssen wir unsere Ausweise zeigen, werden registriert und fühlen uns ein bisschen so, als würden wir etwas Verbotenes tun. „Im Sommer ist hier mehr Leben. Da sind alle draußen und die Kinder spielen … sagt uns der nette Herr vom Missionsärztlichen Institut, der uns abholt und erst mal etwas auf dem Gelände herumführt. In der Kaserne war eine amerikanische Luftabwehreinheit stationiert. 1992 verließen die letzten US-Soldaten die Emery Barracks. Seitdem ist hier die Zentrale Rückführungsstelle (kurz ZRS), die aber meist nur GU (Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber) genannt wird.
Kleine Dinge, die es wert sind
Erst wirkt alles ein wenig depressiv auf uns. Das ändert sich aber, als wir die Stufen eines ehemaligen Verwaltungsgebäudes zur Sprechstunde hochgehen. Es ist gerade ein bisschen Zeit und wir unterhalten uns mit den anwesenden Ärzten und Pflegekräften. „Wir arbeiten gerne hier!“ hören wir und „Die großen Glücksmomente, die großen Erfolgserlebnisse ... die gibt es nicht. Was wir aber fast täglich erleben und erfahren, ist die Dankbarkeit, das Vertrauen und die Wertschätzung, die uns diese Menschen entgegenbringen, die so weit entfernt sind von einem Leben wie wir es führen.“
Hier wird wichtige Arbeit geleistet
Die anderswo üblichen und teuren Notarzt-Einsätze sind seit der Einführung der Sprechstunde hier um zwei Drittel zurückgegangen. Überhaupt können die Erfolge sich sehen lassen. Stolz berichtet eine junge Pflegerin über einen jugendlichen Geflüchteten, bei dem Diabetes diagnostiziert wurde. Er wollte sich erst nicht behandeln lassen und – heute gut auf Insulin eingestellt – eine Ausbildung zum Zahnarzthelfer macht. Dieser Schatz an Erfahrung mit einer ganz speziellen und manchmal schwierigen Patientengruppe macht das Ärzteteam zu einem gefragten Ansprechpartner für andere Ärzte. „Unsere Erfahrung in der Migranten-Medizin ist bundesweit gefragt – wir bekommen immer wieder Anfragen von Kollegen, die um Rat bitten.“
Seit dem 1. Dezember ist das Team auch für die medizinische Versorgung in der neuen GU der Erlöserschwestern in der Würzburger Innenstadt zuständig.
Und die Bilderbuch-Arzt-Karriere, die vielleicht viele im Kopf haben, wird es wohl hier nicht geben, denken wir uns ganz still beim Hinausgehen. Dafür aber andere Dinge, die man eventuell nicht kaufen kann. Fazit: Wir kommen nochmal, aber im Sommer! Vielleicht zum 10jährigen Jubiläum im nächsten Jahr?